August 2017

Camperlife

Er fährt, sie kocht – Warum Wohnmobilisten in den 50er-Jahren stehen geblieben sind

Wohn- oder auch Reisemobilist sind ja so altbacken-umständlich-förmlich, typisch deutsche und einfach bescheuerte Begriffe, dass wir sie aus unserem Wortschatz gleich wieder gestrichen haben. Aber in diesem Zusammenhang hier passen sie eigentlich ganz gut.
Da wir alle auf der ewig gleichen Suche nach geeigneten Stellplätzen sind, treffen wir auf sehr viele, fast ausschließlich auf andere Reisemobilisten. Zu 90% sind das Rentnerpaare mit Hund; 10% Familien mit Kindern. Insgesamt sind es gefühlt 75% Deutsche, 20% Einheimische (hier Norweger, in Schweden Schweden) und 5% Holländer und Engländer.

Frauen machen Schnittchen

Es gibt eine festgeschriebene Aufteilung unter den (Rentner)paaren, wie mit den zu erledigenden Aufgaben verfahren wird. Das haben wir schon hundertfach beobachten können und es ändert sich nur selten:

  • Bei der Fahrt: Er fährt, sie kocht zum Ausgleich abends das Essen und reicht während der Fahrt Getränke und Schnittchen.
  • Beim Ankommen: Er schließt das Gas an, klappt die Stützen unter dem Bus aus und friemelt Tisch und Stühle aus dem Wagen. Sie macht schonmal den Wein auf und bringt zwei Gläser raus.
  • Bei der Abfahrt: Er leert die Toilette, während sie die Luke für das (Achtung Fachbegriff!) Grauwasser öffnet, um es abzulassen und füllt Frischwasser in den Tank.

Das ist ja so eine klischeehafte 50er-Jahre-Aufteilung, über die könnte ich mich stundenlang aufregen! Hat denn hier noch niemand was von Emanzipation gehört? Wieso soll denn überhaupt nur ein Mann in der Lage sein, ein Wohnmobil zu steuern?! Und sie steht dann schön jeden Abend am Herd, wie Zuhause auch, während er sich genüsslich das mitgebrachte deutsche Bier (denn hier ist es einfach echt zu teuer) reinbechert.

Natürlich machen wir es ganz genauso…

Gar nicht so leicht, selbständig zu bleiben

Kochen im Wohnmobil
Natürlich erfüllen wir auch nicht alle Klischees.

Zwar fahre ich auch, aber mehr aus emanzipatorischen Prinzipien. So sehr mir Autofahren an sich Spaß macht, so wenig Freude habe ich am Fahren mit dem Wohnmobil. Uli dagegen ist hier voll und ganz in seinem Element. Inzwischen heizt er mit dem Bus genauso wie vorher mit dem alten Yaris. Wie ein Kapitän steuert er sein Schiff sicher, aber lässig mit der linken Hand, während er sich, den rechten Ellbogen auf der Armlehne abgestützt, gedankenversunken im Bart krault. Alle paar Minuten (auf der E6 in Norwegen eher alle paar Sekunden) kommt uns ein anderes Wohnmobil entgegen und Wohnmobilfahrer grüßen sich gegenseitig. So wie Motorradfahrer und Hundebesitzer, wenn sie sich begegnen. In diesem Fall geht Ulis Hand kurz weg vom Bart und lässig aus dem Handgelenk werden zwei Finger zum Gruß gehoben, um gleich danach wieder im Bart zu verschwinden.
Er genießt es zu fahren. Ich genieße es, mir die Landschaft ansehen und Fotos machen zu können. Und mache Schnittchen und reiche Getränke.

Bei allen anderen Dingen, die quasi täglich erledigt werden müssen, habe ich darauf bestanden, dass ich auch genau weiß, wie alles geht. Wie man das Gas an- und abstellt, die Stützen aus- und einklappt, das Abwasser ablässt und die Toilette leert.

Der Gashahn ist jedoch immer so fest zugedreht, dass ich ihn nicht aufbekomme. Das hat mich erst sehr gefuchst, doch letztlich bin ich eigentlich ganz froh, wenn das Gas gut verschlossen ist. Somit ist es Ulis Aufgabe.

Vom Entleeren der Campingtoilette

Als Uli einmal ein Nickerchen gemacht hat, wollte ich unbedingt alleine alles für die Fahrt vorbereiten und habe versucht, still und leise die Toilette auszuleeren. Dabei habe ich mich so ungeschickt angestellt, dass er von dem Lärm wach wurde und rauskam, um zu sehen, was ich wohl treibe. Was ich absolut unterschätzt hatte, war, dass wenn dieser Kanister voll mit Pipi ist, ist er echt verdammt schwer. Ich konnte ihn kaum hochheben, geschweige denn elegant zum Toilettenhäuschen tragen. Uli hat sich meine kläglichen Versuche, den Kanister über den Platz zu zerren eine Weile angesehen. Hin- und hergerissen zwischen dem Gentleman-Reflex, mir das schwere Ding abzunehmen und dem Respektieren, dass ich sowas halt auch alleine schaffen können will. Nach wenigen Momenten konnte der Gentleman sich das Elend aber wirklich nicht mehr ansehen und hat mir den Kanister abgenommen. Seitdem ist auch das eben seine Aufgabe.

Es ist nicht einfach, als Frau nicht in die Rolle der umsorgenden Hausfrau zu verfallen, die alle schweren und ekligen Arbeiten lieber dem Mann überlässt und überhaupt eigentlich ziemlich hilflos und abhängig ist. Sich hier ein bisschen Emanzipation und Selbständigkeit zu bewahren, ist gar nicht so leicht. Aber ich gebe nicht nach. Morgen fahr‘ ich wieder!

Über die Autorin

Ramona Pingel

Ramona ist Co-Verlegerin des WNJ-Verlags und arbeitet außerdem als Freie Lektorin. Vor ihrer gemeinsamen Reise mit Uli lebte sie im beliebtesten Viertel Kölns, hatte einen guten Job in einem großen Verlagshaus und genoss das Leben in der Großstadt. Doch nach der Reise kam das alles nicht mehr infrage. Sie wollte unabhängig sein und näher an der Natur. Heute leben Uli und sie, zusammen mit Hund Spencer, in einem Häuschen in der Vulkaneifel, direkt am Waldrand. Ihre freie Zeit verbringt sie am liebsten mit Gärtnern, Yoga und Wandern.

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Saltstraumen – Der stärkste Gezeitenstrom der Welt

Auf dem Weg nach Bodo, von wo aus wir die Fähre nach Moskenes, auf die Lofoten genommen haben, haben wir noch einen kleinen Abstecher nach Saltstraumen gemacht. Denn hier fließt der stärkste Gezeitenstrom der Welt und den wollten wir natürlich auch sehen. Alle sechs Stunden wechselt der Strom die Richtung und weil er sich dabei durch eine ziemlich enge Mündung zwängen muss, entstehen hier riesige Strudel, die einen Durchesser von bis zu zehn Metern und eine Tiefe von bis zu vier Metern bekommen können. Ein sagenhaftes Naturschauspiel, wurde uns versichert, das es auf der Welt nur einmal zu beobachten gibt.

Saltstraumen
Kitschig-romantisch werden die Berge von der untergehenden Sonne rot angestrahlt.

Uns blieb es leider verwehrt … . Wir sind extra am nächsten Morgen um sechs Uhr aufgestanden und runter zum Wasser getapert. Da standen wir im Regen, mit noch ein paar anderen Hoffungsvollen. Doch nach einer Stunde hatten alle aufgegeben und schließlich sind auch wir wieder müde zurück ins Bett geschlichen. Das war echt schade und wir konnten auch nicht bis zur nächsten Vorstellung warten, da wir nach Bodo, auf die Fähre mussten.

Saltstraumen
Müde, aber glücklich genießen wir den spektakulären Sonnenuntergang.

Dafür hatten wir am Abend vorher das Glück, rechtzeitig zum Sonnenuntergang, mit der letzten Flasche Reissdorfkölsch (die wir noch im Bus gefunden haben, offenbar ein Überbleibsel unserer Abschiedsparty), am Fuß der Brücke, auf einem Minileuchtturm zu sitzen und das Spektakel aus der ersten Reihe mitverfolgen zu können.

Der Peps war von dem Schauspiel auch ganz angetan. Bestimmt.

In Norwegen geht nämlich die Sonne nicht einfach so unter. Oh nein. Sie zieht dafür jeden Abend eine unfassbar kitschig-romantische, divengleiche, Drama-Show ab. Ganze Bergketten werden rot angestrahlt, das Meer ist ihre Bühne und überhaupt ist alles in ein so unwirkliches Licht getaucht, dass die Farben viel zu intensiv und alles völlig surreal wirkt. Wir waren auf jeden Fall so angetan, dass uns der Sonnenuntergang eigentlich schon für das ausgefallene Gezeitenschauspiel entschädigt hat.

Unser Tipp:

Wir sind abends angekommen und haben die Nacht auf dem Parkplatz unter der großen Brücke verbracht. Hier könnt ihr umsonst parken und es gibt auch eine Toilette. Vom Parkplatz führt ein kurzer Fußweg runter ans Wasser, von aus ihr (theoretisch) den besten Blick auf das Spektakel habt. Die Uhrzeiten, wann sich die Gezeiten ändern und also die Strudel bilden, sind ausgehängt. Wenn ihr abends kommt, habt ihr zweimal die Möglichkeit, das Naturschauspiel zu sehen. Hoffentlich habt ihr mehr Glück als wir!

Hier ein kleiner Vorgeschmack.

Saltstraumen
Fischerhütten im Sonnenuntergang.

 

 

 

Über die Autorin

Ramona Pingel

Ramona ist Co-Verlegerin des WNJ-Verlags und arbeitet außerdem als Freie Lektorin. Vor ihrer gemeinsamen Reise mit Uli lebte sie im beliebtesten Viertel Kölns, hatte einen guten Job in einem großen Verlagshaus und genoss das Leben in der Großstadt. Doch nach der Reise kam das alles nicht mehr infrage. Sie wollte unabhängig sein und näher an der Natur. Heute leben Uli und sie, zusammen mit Hund Spencer, in einem Häuschen in der Vulkaneifel, direkt am Waldrand. Ihre freie Zeit verbringt sie am liebsten mit Gärtnern, Yoga und Wandern.

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