In unserem Jahr Auszeit haben wir komplett im Wohnmobil gelebt – und gearbeitet. Genau wie digitale Nomaden hatten wir keine Wohnung, keine Homebase mehr, sind durch die Welt gereist und brauchten zum Geld verdienen nichts weiter als einen Laptop und Internet. Unser Büro waren die Strände Siziliens, die Wälder Norwegens oder die Buchten Griechenlands. Wir konnten sein, wo wir wollten, bleiben, wo es uns gefiel und arbeiten, wann es uns passte. Unsere Tage waren selbstbestimmt und unsere Arbeit war – und ist es noch – ortsunabhängig.
Entfesslungskünstler werden
„Wir verbringen etwa 87.000 Stunden auf der Arbeit, bevor wir uns zur Ruhe setzen oder sterben“, schreibt Robert Wringham, und weiter: „Wir verbringen außerdem ungefähr 5.000 Stunden, um zur Arbeit und wieder nach Hause zu kommen.“
In seinem Buch ‚Ich bin raus – Wege aus der Arbeit, dem Konsum und der Verzweiflung‘ beschreibt der Autor die Falle aus Arbeit und Konsum, in der wir alle sitzen, und zeigt Wege auf, wie wir uns aus diesem institutionalisierten Mechanismus befreien können – ‚entfesseln‘, wie Wringham es nennt.
Wenn wir mal ehrlich sind, sind die Menschen, die einen Job haben, den sie lieben, mit dem sie anderen helfen, das befriedigende Gefühl haben, etwas Gutes mit ihrer Arbeit zu bewirken, dabei gut verdienen, sich selbst verwirklichen und super nette Kollegen und Chefs haben doch eher rar gesäte Glückspilze. Wer kann das denn schon von seinem Job behaupten?
„Achtzig Prozent von uns sind unzufrieden mit ihrem Beruf“, schreibt Wringham. „Wir verbringen unfassbar viele Stunden damit zu arbeiten und noch mehr unbezahlte Zeit in Zügen, Bussen und Verkehrsstaus, um zur Arbeit oder nach Hause zu kommen.“
40 Stunden die Woche, 40 Jahre lang fremdbestimmt
40 Stunden in der Woche (oder oft mehr) verbringen die meisten von uns also an einem Ort, an dem wir nicht sein wollen, mit einer Tätigkeit, die wir nur gezwungenermaßen machen und womöglich als sinnlos erachten; zusammen mit Menschen, die wir uns nicht ausgesucht haben und oft nicht besonders gut leiden können und müssen dafür auch noch viel Zeit und Unannehmlichkeiten – wie Staus, überfüllte Züge, langes Warten bei Regen und Kälte an Haltestellen, … – in Kauf nehmen, um dorthin und wieder weg zu kommen. Wenn wir krank sind können wir nicht einfach im Bett liegen bleiben und uns auskurieren. Nein, wir schleppen uns aus Pflichtbewusstsein zur Arbeit, und wenn das gar nicht mehr geht, müssen wir aber beweisen, dass es wirklich gar nicht mehr geht und uns hundeelend zu einer Arztpraxis schleppen, um uns hier, mit noch mehr Kranken, in ein überfülltes Wartezimmer zu setzen. Überstunden sind normal und dank unserer mobilen, vernetzten Welt, können wir auch noch von unterwegs aus arbeiten oder während wir einen Abend mit Freunden verbringen. Das bisschen Freizeit, das wir haben (abzüglich der Zeit die wir für Dinge brauchen wie Aufräumen, Einkaufen, Wäsche waschen, Rechnungen bezahlen usw.) benötigen wir zur Regeneration, um am nächsten Tag wieder einsatzbereit zu sein. Und das geht dann so für 40 Jahre weiter.
„Unter solchen Umständen ist ein Heim gar kein Heim mehr, sondern eine Art Docking-Station oder ein Boxenstopp, um den eigenen Akku wieder aufzuladen, um weiter zu funktionieren.“
Ortsunabhängiges Arbeiten – Ein erster wichtiger Schritt in eine neue Arbeitswelt
Was DIE Lösung für dieses Dilemma sein könnte, weiß ich nicht. Ein sehr guter Ansatz ist sicher das bedingungslose Grundeinkommen. Bis wir hier in Deutschland aber soweit sind, gibt es trotzdem noch andere Wege, die wir gehen können. Einer davon ist das ortsunabhängige Arbeiten. Wir arbeiten aus dem Homeoffice, einem Café, einem Coworking-Space oder wir ziehen als digitale Nomaden durch die Welt und arbeiten an den schönsten Orten der Erde. Wir sind nicht mehr gezwungen in einer überteuerten, kleinen Stadtwohnung zu leben, damit wir möglichst nah an unserem Arbeitsplatz sind, sondern können mit unserer Familie raus aufs Land ziehen, auf Reisen gehen – wir können sein, wo immer wir sein wollen!
„Wenn wir einen Job haben, ist unser Aktionsradius sehr beschränkt: Wir können uns in unserer Freizeit nur so weit davon entfernen, dass wir zur nächsten Schicht wieder zurück sind.“ Wringham zeigt hier einen Punkt auf, der eigentlich ziemlich drastisch unser Leben bestimmt und den wir uns viel zu selten wirklich bewusst machen. „Ist es nicht eine unglaubliche Zumutung, dass wir dazu gezwungen werden, uns zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort einzufinden? Wieso geht niemandem auf, dass das eine geradezu schockierende Einschränkung unserer Bewegungsfreiheit ist, ein Umstand, der unserer hohen Wertschätzung persönlicher Freiheit völlig wiederspricht?“, fragt er empört.
– Ein Fakt, der mich während meiner früheren Jobs oft an den Rand der Verzweiflung gebracht hat. Ich fühlte mich eingesperrt, entsetzlich beschränkt in meiner Freiheit und meinen Möglichkeiten. Nur nicht länger darüber nachdenken; schnell zur Ablenkung was Schönes kaufen. Ach ne, das kann ich mir ja nicht leisten, dafür verdiene ich zu wenig … .
Digitalisierung zu unserem Vorteil nutzen
Die Digitalisierung verändert unsere Lebenswirklichkeiten erheblich und wie alle drastischen Veränderungen bringt auch diese ihre Vor- und Nachteile mit sich. Doch während die meisten von uns sich mit diffusen Ängsten rumschlagen, was wohl die zum großen Teil noch uneinschätzbaren Nachteile für uns in der Zukunft sein werden, sehen wir gar nicht, dass es auch Vorteile gibt. Auch für uns. Und auch bereits jetzt! Was für einen Unterschied macht es, ob ich als Journalistin meine Artikel in der Redaktion schreibe oder aus einem Café ins CMS einpflege? Wen interessiert, ob mein Steuerberater mit Anzug und Krawatte in der Kanzlei hockt und meine Steuererklärung macht oder ob er dabei in Jogginghosen gemütlich auf seiner Couch sitzt? Wenn die Arbeit am Ende getan ist und gut gemacht wurde, ist es doch völlig unwichtig, WO sie erledigt wurde!
In anderen Ländern, wie zum Beispiel den USA, ist Telearbeit (Remote Work) schon allein wegen der großen Entfernungen bereits seit langem selbstverständlich. In Deutschland mangelt es an Flexibilität und vor allem an Vertrauen. Dabei gibt es zahlreiche Studien zum Thema, die belegen, dass Mitarbeiter, die von Zuhause aus arbeiten, effektiver und produktiver sind. Sie sind außerdem viel seltener krank, bleiben länger im Unternehmen und kosten weniger, da sie kein Büro, Parkplatz oder Jobticket benötigen. – Um nur ein paar Vorteile zu nennen.
Arbeitgeber müssen attraktiver und flexibler werden
Der Fachkräftemangel in Deutschland zeigt deutlich, dass Arbeitsplätze attraktiver werden und Arbeitgeber sich etwas einfallen lassen müssen, um gute Mitarbeiter zu werben und zu halten. Familie und ein gutes Leben zählen für viele Menschen mehr als Karriere. Beruf und Familie sollen miteinander vereinbar sein. Das 50er-Jahre-Modell, in dem der Vater morgens das Haus verlässt, um zur Arbeit zu gehen, und abends gerade so rechtzeitig nach Hause kommt, um seinen Kindern noch einen Gute-Nacht-Kuss geben zu können, ist einfach nicht mehr zeitgemäß.
Viele erfolgreiche Unternehmen, wie zum Beispiel Automattic (die Agentur hinter WordPress, mit weltweit 717 Mitarbeitern) oder die komoot GmbH (ein deutsches Unternehmen, das die gleichnamige Outdoor-Navigations App für Wanderer und Biker entwickelt hat), setzen auf Telearbeit. Warum? – Ganz einfach: Weil sie den besten Mitarbeiter für die jeweilige Position haben wollen. Und wenn der nun mal in einem anderen Land lebt und man ihn deshalb nicht einstellt, würde man sich damit doch nur selbst schaden. Die Gründer dieser Firmen haben auch verstanden, dass es dem Unternehmen schadet, wenn Expertenwissen durch Fluktuation ständig verschwindet und neu aufgebaut werden muss. Jonas Sprengler, Mitbegründer von komoot und heutiger CEO sagt in einem Xing-Interview dazu:
„Dass alle Mitarbeiter in einem Büro sitzen müssen, sehen wir nicht mehr als so zeitgemäß an. (…) Für uns als Firma ergeben sich die Vorteile, dass wir die Mitarbeiter überall anwerben können (…). Wir haben quasi einen globalen Talentpool aus dem wir schöpfen können. Und das schlägt sich (…) so nieder, dass wir wahnsinnige Nachfragen nach unseren Stellen haben und natürlich jetzt viel bessere Leute sourcen können. Der zweite Vorteil des Unternehmens ist (…), dass Mitarbeiter, deren Lebenssituation sich verändert, das Unternehmen nicht verlassen, um beispielsweise mit der Frau nach München zu ziehen, (…) sondern einfach im Unternehmen bleiben. Und dann bleibt auch das Wissen im Unternehmen (…).“
Lebe dort, wo du am glücklichsten und produktivsten bist!
Nur ein glücklicher Mitarbeiter ist ein produktiver und loyaler Mitarbeiter. Das hat auch das Software-Unternehmen Buffer (60.000 Kunden) erkannt und von Anfang an auf Remote-Arbeit gesetzt. PR-Manager Hailley Griffis begründet das folgendermaßen:
„Wir wollen, dass unsere Teammitglieder denjenigen Ort auf der Welt wählen können, an dem sie sich am glücklichsten und produktivsten fühlen. Wir haben Kollegen, die zu Hause bei ihren Kindern bleiben oder mit einem Wohnmobil reisen und darin arbeiten. Die Freiheit zu wählen, wo man leben und arbeiten möchte, hat unglaubliche Teammitglieder aus der ganzen Welt zu uns geführt (…).“
(Quelle: ‚GO REMOTE! – Ab jetzt ortsunabhängig arbeiten und selbstbestimmt leben‘).
Für viele, die ein selbstbestimmtes Leben führen wollen, bleibt zur Zeit nur der Weg in die Selbstständigkeit. Aber unsere Gesellschaft ist im Wandel und die Art und Weise wie wir Arbeit sehen und in unser Leben integrieren wollen, ist nicht mehr dieselbe wie früher. Viele Arbeitgeber denken bereits um und integrieren mehr und mehr Telearbeitsplätze.
Jetzt in die Ortsunabhängigkeit starten!
Dabei ist es nicht nur der Grafikdesigner, der mit seinem Laptop vom thailändischen Strand aus arbeiten kann. Es gibt zahlreiche Berufe, die remote ausübbar sind – nicht nur neue, digitale, sondern auch viele der herkömmlichen, klassischen Berufe, wie Buchhalter*in, Musiklehrer*in, Redakteur*in oder Übersetzer*in eignen sich für die Ortsunabhängigkeit.
Bea Uhlenberg und Jan C. Ollig haben über 200 Berufe recherchiert und auf ihre Remote-Tauglichkeit überprüft. 88 davon stellen sie in ihrer Buchreihe »GO REMOTE! – Ab jetzt ortsunabhängig arbeiten und selbstbestimmt leben« vor. Neben einer ausführlichen Beschreibung des jeweiligen Berufsbildes geben die beiden Autoren umfangreiche Tipps, Tricks und Tools und Nachschlageliteratur an die Hand, so dass man direkt loslegen kann. Besonders eindrucksvoll sind die zahlreichen Interviews mit Menschen, die bereits erfolgreich im jeweiligen Beruf ortsunabhängig arbeiten. Sie alle geben persönliche Eindrücke von den Vorteilen und Problemen der Ortsunabhängigkeit, bieten Einblicke in ihren Alltag und beantworten sehr konkrete Fragen zum Geld verdienen und Aufbau eines Business.
Unterteilt sind die drei Bände thematisch in:
• »GO REMOTE! Für Kreative und Texter«
• »GO REMOTE! Für Soziale und Kommunikative«
• »GO REMOTE! Für Technik, Zahlen und Organisationstalente«
Außer den Berufsprofilen und Interviews bietet jeder Band sehr umfangreiche allgemeine Informationen rund um das Thema Ortsunabhängigkeit, wie man Themen für eine gute Geschäftsidee findet, wie man ein profitables Business aufbaut, womit man seinen Chef von der Telearbeit überzeugt und vieles mehr.
Ausführliche Informationen zum Thema ortsunabhängiges Arbeiten und über 80 ausführlich vorgestellte Berufsbilder, die von überall ausübbar sind, bietet die Buchreihe „GO REMOTE! – Ab jetzt ortsunabhängig arbeiten und selbstbestimmt leben“ von Bea Uhlenberg & Jan C. Ollig, erschienen im Wenn Nicht jetzt-Verlag.
Über die Autorin
Ramona Pingel
Ramona ist Co-Verlegerin des WNJ-Verlags und arbeitet außerdem als Freie Lektorin. Vor ihrer gemeinsamen Reise mit Uli lebte sie im beliebtesten Viertel Kölns, hatte einen guten Job in einem großen Verlagshaus und genoss das Leben in der Großstadt. Doch nach der Reise kam das alles nicht mehr infrage. Sie wollte unabhängig sein und näher an der Natur. Heute leben Uli und sie, zusammen mit Hund Spencer, in einem Häuschen in der Vulkaneifel, direkt am Waldrand. Ihre freie Zeit verbringt sie am liebsten mit Gärtnern, Yoga und Wandern.