Camperlife

Er fährt, sie kocht – Warum Wohnmobilisten in den 50er-Jahren stehen geblieben sind

Wohn- oder auch Reisemobilist sind ja so altbacken-umständlich-förmlich, typisch deutsche und einfach bescheuerte Begriffe, dass wir sie aus unserem Wortschatz gleich wieder gestrichen haben. Aber in diesem Zusammenhang hier passen sie eigentlich ganz gut.
Da wir alle auf der ewig gleichen Suche nach geeigneten Stellplätzen sind, treffen wir auf sehr viele, fast ausschließlich auf andere Reisemobilisten. Zu 90% sind das Rentnerpaare mit Hund; 10% Familien mit Kindern. Insgesamt sind es gefühlt 75% Deutsche, 20% Einheimische (hier Norweger, in Schweden Schweden) und 5% Holländer und Engländer.

Frauen machen Schnittchen

Es gibt eine festgeschriebene Aufteilung unter den (Rentner)paaren, wie mit den zu erledigenden Aufgaben verfahren wird. Das haben wir schon hundertfach beobachten können und es ändert sich nur selten:

  • Bei der Fahrt: Er fährt, sie kocht zum Ausgleich abends das Essen und reicht während der Fahrt Getränke und Schnittchen.
  • Beim Ankommen: Er schließt das Gas an, klappt die Stützen unter dem Bus aus und friemelt Tisch und Stühle aus dem Wagen. Sie macht schonmal den Wein auf und bringt zwei Gläser raus.
  • Bei der Abfahrt: Er leert die Toilette, während sie die Luke für das (Achtung Fachbegriff!) Grauwasser öffnet, um es abzulassen und füllt Frischwasser in den Tank.

Das ist ja so eine klischeehafte 50er-Jahre-Aufteilung, über die könnte ich mich stundenlang aufregen! Hat denn hier noch niemand was von Emanzipation gehört? Wieso soll denn überhaupt nur ein Mann in der Lage sein, ein Wohnmobil zu steuern?! Und sie steht dann schön jeden Abend am Herd, wie Zuhause auch, während er sich genüsslich das mitgebrachte deutsche Bier (denn hier ist es einfach echt zu teuer) reinbechert.

Natürlich machen wir es ganz genauso…

Gar nicht so leicht, selbständig zu bleiben

Kochen im Wohnmobil
Natürlich erfüllen wir auch nicht alle Klischees.

Zwar fahre ich auch, aber mehr aus emanzipatorischen Prinzipien. So sehr mir Autofahren an sich Spaß macht, so wenig Freude habe ich am Fahren mit dem Wohnmobil. Uli dagegen ist hier voll und ganz in seinem Element. Inzwischen heizt er mit dem Bus genauso wie vorher mit dem alten Yaris. Wie ein Kapitän steuert er sein Schiff sicher, aber lässig mit der linken Hand, während er sich, den rechten Ellbogen auf der Armlehne abgestützt, gedankenversunken im Bart krault. Alle paar Minuten (auf der E6 in Norwegen eher alle paar Sekunden) kommt uns ein anderes Wohnmobil entgegen und Wohnmobilfahrer grüßen sich gegenseitig. So wie Motorradfahrer und Hundebesitzer, wenn sie sich begegnen. In diesem Fall geht Ulis Hand kurz weg vom Bart und lässig aus dem Handgelenk werden zwei Finger zum Gruß gehoben, um gleich danach wieder im Bart zu verschwinden.
Er genießt es zu fahren. Ich genieße es, mir die Landschaft ansehen und Fotos machen zu können. Und mache Schnittchen und reiche Getränke.

Bei allen anderen Dingen, die quasi täglich erledigt werden müssen, habe ich darauf bestanden, dass ich auch genau weiß, wie alles geht. Wie man das Gas an- und abstellt, die Stützen aus- und einklappt, das Abwasser ablässt und die Toilette leert.

Der Gashahn ist jedoch immer so fest zugedreht, dass ich ihn nicht aufbekomme. Das hat mich erst sehr gefuchst, doch letztlich bin ich eigentlich ganz froh, wenn das Gas gut verschlossen ist. Somit ist es Ulis Aufgabe.

Vom Entleeren der Campingtoilette

Als Uli einmal ein Nickerchen gemacht hat, wollte ich unbedingt alleine alles für die Fahrt vorbereiten und habe versucht, still und leise die Toilette auszuleeren. Dabei habe ich mich so ungeschickt angestellt, dass er von dem Lärm wach wurde und rauskam, um zu sehen, was ich wohl treibe. Was ich absolut unterschätzt hatte, war, dass wenn dieser Kanister voll mit Pipi ist, ist er echt verdammt schwer. Ich konnte ihn kaum hochheben, geschweige denn elegant zum Toilettenhäuschen tragen. Uli hat sich meine kläglichen Versuche, den Kanister über den Platz zu zerren eine Weile angesehen. Hin- und hergerissen zwischen dem Gentleman-Reflex, mir das schwere Ding abzunehmen und dem Respektieren, dass ich sowas halt auch alleine schaffen können will. Nach wenigen Momenten konnte der Gentleman sich das Elend aber wirklich nicht mehr ansehen und hat mir den Kanister abgenommen. Seitdem ist auch das eben seine Aufgabe.

Es ist nicht einfach, als Frau nicht in die Rolle der umsorgenden Hausfrau zu verfallen, die alle schweren und ekligen Arbeiten lieber dem Mann überlässt und überhaupt eigentlich ziemlich hilflos und abhängig ist. Sich hier ein bisschen Emanzipation und Selbständigkeit zu bewahren, ist gar nicht so leicht. Aber ich gebe nicht nach. Morgen fahr‘ ich wieder!

Über die Autorin

Ramona Pingel

Ramona ist Co-Verlegerin des WNJ-Verlags und arbeitet außerdem als Freie Lektorin. Vor ihrer gemeinsamen Reise mit Uli lebte sie im beliebtesten Viertel Kölns, hatte einen guten Job in einem großen Verlagshaus und genoss das Leben in der Großstadt. Doch nach der Reise kam das alles nicht mehr infrage. Sie wollte unabhängig sein und näher an der Natur. Heute leben Uli und sie, zusammen mit Hund Spencer, in einem Häuschen in der Vulkaneifel, direkt am Waldrand. Ihre freie Zeit verbringt sie am liebsten mit Gärtnern, Yoga und Wandern.

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