Trapani

Gibellina

Die Salinen von Nubia und eine Stadt unter weißem Beton

Wir sitzen wieder im Sattel und freuen uns, nach der längeren Auszeit am Strand vor dem Monte Cofano, in der wir sehr das Beachlife genossen und viel gearbeitet haben, wieder unterwegs zu sein, was zu erleben und faszinierende Orte zu sehen. Besonders nach den letzten Tagen, in denen es immerzu geregnet hat, tut es unwahrscheinlich gut, wieder aus dem kleinen Schuhkarton, der unser Zuhause ist, rauszukommen und die Nase in Wind und Sonne halten zu können.

Wir haben uns mal wieder selbst in die Bredouille gebracht

Unser Loskommen gestern war allerdings ziemlich abenteuerlich …
Vor einigen Tagen ging ein heftiges Unwetter über uns runter. Es hat geschüttet, gehagelt, gestürmt und so krass geblitzt und gedonnert, wie wir es im Wohnmobil noch nie erlebt hatten. Da fühlt man sich den Naturgewalten in der kleinen Blechdose und auf weitem Feld doch ganz schön ausgeliefert. Mit immer mulmiger werdendem Gefühl haben wir mal gegoogelt, wie das eigentlich mit dem Faradayschen Käfig bei einem Wohnmobil aussieht. Unklare Informationslage. Vorsichtshalber haben wir uns, mit dem zitternden Pepito auf dem Arm, in die Fahrerkabine verkrochen, die wohl am sichersten gegen Blitzeinschlag sein soll.
Literweise Wasser kamen so schnell auf uns runter, dass wir kaum eine Chance hatten, uns auf festen Betongrund zu flüchten. Da wir aber aus Erfahrung schon wussten, dass das immer heftig aussieht und am nächsten Tag im Sonnenschein aber gleich wieder alles trocken ist, blieben wir erstmal (relativ) cool, denn wir wollten ja auch nicht am nächsten Morgen weiterfahren. Allerdings hatten wir die ganze Sache unterschätzt. Der Regen war so heftig, dass er das ganze Gebiet um uns rum in eine Flusslandschaft verwandelte – und er hörte einfach nicht wieder auf. Tagelang regnete sich das Tief, das sich hartnäckig über uns eingenistet hatte, weiter aus. An Weiterfahren war nicht zu denken.

Im Wasser versunken
Im Wasser versunken.

So wundert es auch nicht, dass wir gestern nicht vom Fleck kamen. Alles war eingepackt, verstaut, alle Luken dicht, wir hatten uns von unserem Lieblingsplatz mit Wehmut verabschiedet und – nichts ging. Die Reifen drehten durch, eine einzige Schlammschlacht. Keine Chance. Also erstmal ein paar Stunden abwarten, das Wind und Sonne ihren Job tun würden und dann nochmal versuchen. Wieder sind wir nicht weit gekommen, bis wir einen Reifen zwischen Steinen eingekeilt und die anderen tief im Schlamm vergraben hatten. Wie kopflose Hühner sind wir immer wieder im Kreis um das Wohnmobil gelaufen, um uns ein Bild von der Lage zu machen und auf eine Eingebung hoffend, wie wir aus dieser wieder rauskämen.
Irgendwann sind wir endlich auf die Idee gekommen, dass ich am Steuer sitzen sollte und Uli anschiebt und mich durch die tückischen Stein- und Matschfelder lenkt. Ich bin also den Wagen gefahren, während Uli weiter drumherum gehopst ist und zusammen haben wir es Stück für Stück geschafft, uns freizukämpfen. Teamwork ist eben alles. 🙂

Trotzdem kamen wir uns vor wie blutige Anfänger. Immer noch bringen wir uns in solch brenzlige Situationen, weil wir einfach nicht einsehen wollen, dass wir kein Offroad-Gefährt fahren, sondern eben doch ein spießiges, weißes Wohnmobil, mit viel zu wenig PS unter der Haube und lächerlich kleinen Reifen. Bisher hat der gute Knausi unsere Eskapaden tapfer mitgemacht und wir haben es ja auch immer geschafft, uns aus dem Schlamassel, in den wir uns selbst reinmanövriert haben, auch wieder zu befreien. Trotzdem hat das nächste Gefährt Allradantrieb …!

So kommt das Salz aus dem Meer

Die Salinen von Nubia.
Die Salinen von Nubia.

Als die wilde Fahrt dann also endlich weitergehen konnte, sind wir erstmal zu den Salinen von Trapani/Nubia gefahren und haben dort etwas über die Gewinnung von Meersalz gelernt: Dabei wird Meerwasser in ein Becken gespült und von diesem in mehrere angrenzende, die alle jeweils ein kleines bisschen niedriger liegen. Von Becken zu Becken verdunstet immer mehr Wasser und die Salzlauge wird konzentrierter, bis am Ende immer größer werdende Salzhügel übrigbleiben.

Übernachtet haben wir auf einem kleinen Parkplatz am Meer, kurz vor Marsala. Kaum hatten wir dort Quartier bezogen, als eine farbenfrohe Hochzeitsgesellschaft auf dem kleinen Platz mit Anlegesteg einfiel, um Fotos zu machen. Ein ziemliches Spektakel wurde uns geboten, denn die Kleider der Damen waren sehr elegant und bunt, aber so gar nicht geeignet, um damit – und vor allem mit den dazugehörenden hochhackigen Schuhen – an einem steinigen Strand Fotos zu machen. Aber sie waren einfallsreich und es wurde fleißig posiert und Selfies gemacht, während ein Fotograf mit dem Brautpaar auf dem Steg zugange war. Vorsichthalber wurde alles auch nochmal mit einer Drohne festgehalten, die über uns kreiste. Schließlich verschwanden alle in den Autos und luden ihre Bilder bei Instagram hoch …

Neue Bekanntschaft und witzige Hochzeitsgesellschaft.

Kaum war die Festgesellschaft verschwunden, kamen schon die nächsten zum Fotos machen. Ein Junge in einem weißen Gewand wurde mal hierhin und mal dorthin gestellt. Vielleicht war das eine Kommunionsfeier?

Während dessen sprach uns ein deutscher Mitcamper aus Leipzig an und wir haben eine ganze Weile nett gequatscht und Reisegeschichten ausgetauscht, während wir die Show vor uns genossen. Plötzlich ertönte ein lautes Getöse und eine Parade Rollerfahrer zog laut hupend und winkend, mit Röhren und Knattern an uns vorbei. Bestimmt 100, zum Teil sehr originelle Vespa-Modelle schepperten fröhlich das Küstensträßchen entlang.

Dann war auch schon Sonnenuntergangsprogramm angesagt und im Stop-and-Go-Verfahren hielten im zwei Minuten-Takt die üblichen Selfiemacher mit ihren Autos vor uns: Anhalten, rausspringen, professionelles Posing und ein routiniertes Fotolächeln, Klick und weg. Nächster bitte.
Wir hatten uns inzwischen auf den Anlegesteg zurückgezogen und genossen weiterhin das wilde Treiben. – So viel Action und menschlichen Kontakt hatten wir ja die ganzen letzten Wochen nicht!

Abends gehörte der hübsche Uferplatz wieder uns allein.
Abends gehörte der hübsche Uferplatz wieder uns allein.

Kaum war aber die Sonne untergegangen, hörte der Trubel plötzlich auf und es war vollkommen still. Das Meer lag ganz ruhig, auf der Straße fuhr niemand mehr und bis auf einen neugierigen Streuner waren wir vollkommen allein. Verrückt. Wir lieben inzwischen sehr die Zeit zwischen halb acht und neun, wo offenbar Mama das Essen fertig hat und alle Italiener schlagartig von den Straßen verschwunden sind. Gerade war noch lautes Gehupe, freudiges Geschrei, schallendes Lachen, hitzige Diskussionen, eingebettet in Autolärm und Rollergeknatter und plötzlich herrscht von jetzt auf gleich absolute Stille.

Surreale Welt in Beton

Gibellina
Die Ruinen der zerstörten Stadt Gibellina wurden von Alberto Burri in weißen Beton gegossen. Man läuft durch die Gassen, die tatsächlich an diesen Stellen verliefen.

Heute haben wir uns einen sehr besonderen Ort angesehen. Wir waren in Gibellina Vecchia, beziehungsweise liefen durch die Überreste der Stadt. Nein, das stimmt auch nicht so ganz, denn die Ruinen sind zu einem Kunstwerk umgestaltet worden. Aber von vorne … Die Stadt wurde bereits im 14. Jhd. gegründet, bei einem sehr schweren Erdbeben 1968 jedoch vollständig zerstört. Sie wurde auch nie wieder aufgebaut. Ein großer Teil der zerstörten Stadt hat der Künstler Alberto Burri in weißen Beton gegossen. Dabei blieben die Gassen des Orts an ihrem Platz, so dass man durch die Betonberge laufen und sich dabei ein Bild von der Enge der ehemaligen Stadt machen kann. Ein faszinierender Ort und auch mal was ganz anderes als die üblichen Touri-Attraktionen. Das finden wir ja super!

Gibellina Nuova
Der irgendwie sehr traurige Ort Gibellina Nuova.

Wie gesagt, hat man den zerstörten Ort nicht wieder aufbauen wollen und stattdessen neun Kilometer weiter eine neue Stadt gegründet – Gibellina Nuova. Für die Plätze der neuen Stadt stifteten zahlreiche Künstler, Bildhauer und Architekten Kunstwerke. Beispielsweise war auch Joseph Beuys darunter. Dadurch ist das neue Gibellina heute eine von der Struktur her für Sizilien sehr untypische Stadt, weil sie nicht gewachsen, sondern am Reißbrett entworfen wurde und gleichzeitig die Stadt mit der höchsten Dichte an moderner Kunst in ganz Italien. Eine Stadt voller Kunst – das klang doch toll, da mussten wir hin!!


Und ja, stimmt, da trifft man alle Nase lang auf eine Skulptur oder andere Kunstwerke. – Bemooste, dreckige, vergammelte Kunstwerke …  Man kann sich, mit etwas Fantasie noch vorstellen, wie die Stadt wohl bei ihrer Gründung ausgesehen haben mag: Hell, bunt, weite Straßen, Parkanlagen, ein Fluss, Kinderspielplatz und ein schnuckeliger eigener Bahnhof. Doch trotz all der hübschen Kunstwerke überall, haben die Einwohner das Konzept nicht recht angenommen. Heute ist Gibellina eine halbe Geisterstadt. Nur noch etwa jedes dritte Haus ist bewohnt; die Stadt ist leer, wirkt verlassen und verwahrlost. Ein wirklich deprimierender Anblick. Passenderweise fing es dann auch noch an zu regnen, was die Stadt endgültig in grauer Tristesse versinken ließ. Nichts wie weg!

Eine halbe Stunde später stehen wir jetzt wieder bei strahlendem Sonnenschein am Meer, an einem ruhigen und beschaulichen Plätzchen nahe Selinunte. Hier gibt’s griechische Tempel und Pipapo. Ein riesiger Rummel ist drumherum aufgezogen und in den werden wir uns wohl oder übel morgen stürzen. Hoffentlich lohnt es sich. Wir sind gespannt!


Über die Autorin

Ramona Pingel

Ramona ist Co-Verlegerin des WNJ-Verlags und arbeitet außerdem als Freie Lektorin. Vor ihrer gemeinsamen Reise mit Uli lebte sie im beliebtesten Viertel Kölns, hatte einen guten Job in einem großen Verlagshaus und genoss das Leben in der Großstadt. Doch nach der Reise kam das alles nicht mehr infrage. Sie wollte unabhängig sein und näher an der Natur. Heute leben Uli und sie, zusammen mit Hund Spencer, in einem Häuschen in der Vulkaneifel, direkt am Waldrand. Ihre freie Zeit verbringt sie am liebsten mit Gärtnern, Yoga und Wandern.

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Ostern auf Sizilien – Die Mysterien von Trapani

Die Stadt Trapani ist berühmt für ihre Osterfeierlichkeiten. Ostern wir überall auf Sizilien als wichtigstes Fest des Jahres begangen und mit Prozessionen und vielen Traditionen gefeiert. Die Prozession an Karfreitag in Trapani ist aber eins der größten Highlights auf Sizilien und das wollten wir unbedingt einmal miterleben. Dafür sind wir vorerst an Palermo vorbeigerauscht, was wir später noch nachholen werden.

Die gesamte Osterwoche, die „Settimana Santa“, hindurch finden bereits kleinere Prozessionen in Trapani statt. So auch als wir am Mittwoch vor Ostern in der Stadt ankamen und durch den Ort gebummelt sind. Wir haben es sehr genossen, dass das Wetter wieder schöner wurde und wir einfach Zeit draußen verbringen konnten. Also sind wir ausgiebig flaniert, haben ein Pane Cunzato auf die Hand mitgenommen und an der Promenade in der Sonne gegessen, im süßen Stadtpark unter alten Bäumen im Schatten gesessen und einfach die Stadt in uns aufgesogen.

Die Misteri di Trapani werden von mindestens zehn Männern getragen.

Am Freitag um 14 Uhr ging dann das große Ereignis los. Bei der Karfreitagsprozession werden 20 riesige Statuengruppen, die das Leiden Christi darstellen, von der Kirche Delle Anime Sante del Pulgatorio aus durch die Stadt getragen. Die sogenannten „Misteri di Trapani“ sind Holzstatuen, die auf einer Art Sänfte festgemacht und mit Blumen und Kerzen reich geschmückt sind. Jede dieser Figuren aus dem 17. und 18. Jhd. wiegt über 100 Kilo und so werden sie von jeweils mindestens zehn Männern, den Massari, getragen.

Begleitet wir die Prozession von Blaskapellen, die ganz wunderbare Trauermärsche spielen, und Trommlergruppen, die den Takt zu einem Wiegeschritt vorgeben, in dem sich der gesamte Zug – extrem langsam – fortbewegt. Das Spektakel dauert 24 Stunden und endet schließlich wieder vor der Kirche, in der die Misteri das Jahr über aufbewahrt werden. Die restliche Stadt wirkt in dieser Zeit wie ausgestorben, denn alle Einwohner scheinen bei diesem Großereignis mitzuwirken. Die ganze Nacht hindurch konnten wir von unserem Schlafplatz im Hafen die Musik und die Trommeln hören und haben am nächsten Morgen nochmal einen Blick auf die Prozession geworfen.

Wenn Du mal zur Osterzeit auf Sizilien sein solltest, können wir Dir dieses Spektakel sehr empfehlen. Durch die dramatische Musik, die archaischen Trommeln, die festlichen, traditionellen Gewänder und Uniformen entsteht in den schmalen Gassen eine ganz eigene, sehr eindringliche und festliche Stimmung, der man sich kaum entziehen kann.

Anschrift: Via Catula Lutazio, 91100 Trapani

GPS-Koordinaten: 38.014467, 12.495905

Google Maps: https://goo.gl/maps/UUMrh9DL62K2

Anfahrt und Parken: Wir haben drei Nächte im Hafen, auf einem großen, runden Parkplatz vor der Segelschule gestanden. Schöner Ausblick auf das Kastell und den Leuchtturm. Obwohl das eine Sackgasse ist, herrscht hier viel Verkehr. Besonders abends kommen viele Leute mit ihren Autos hierher und feiern bei lauter Musik. Aber der Parkplatz ist kostenlos, es standen noch ein paar weitere Wohnmobile bei uns und es sind von hier aus nur ein paar Minuten zu Fuß in die Innenstadt. Beim Rausfahren aus Trapani haben wir vor der Stadt im Industriegebiet einen riesigen Parkplatz gesehen, auf dem bestimmt 50 Wohnmobile standen. Hier steckten die also alle.

Über die Autorin

Ramona Pingel

Ramona ist Co-Verlegerin des WNJ-Verlags und arbeitet außerdem als Freie Lektorin. Vor ihrer gemeinsamen Reise mit Uli lebte sie im beliebtesten Viertel Kölns, hatte einen guten Job in einem großen Verlagshaus und genoss das Leben in der Großstadt. Doch nach der Reise kam das alles nicht mehr infrage. Sie wollte unabhängig sein und näher an der Natur. Heute leben Uli und sie, zusammen mit Hund Spencer, in einem Häuschen in der Vulkaneifel, direkt am Waldrand. Ihre freie Zeit verbringt sie am liebsten mit Gärtnern, Yoga und Wandern.

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