Zingaro, Palermo, Monreale, Erice – Eine Tour durch den Nordwesten Siziliens
15.-22.04.2018 – Wahnsinn, heute vor genau 300 Tagen sind wir zu diesem Abenteuer aufgebrochen! Verrückt, wie die Zeit vergeht, so lang kommt uns das noch gar nicht vor. Andererseits haben wir aber schon so viel gesehen und erlebt und verdammt viele Kilometer hinter uns gelassen. Allmählich sind wir jedenfalls angekommen in diesem Vanlife. ?
Unglaublich, aber wir stehen schon wieder an unserem Lieblingsplatz, am Strand von Castelluzzo. Zwischendurch waren wir aber doch mal unterwegs und haben uns jede Menge spannender und schöner Sachen angeguckt.
Am Sonntagabend hat uns auf unserem Strandplatz ein heftiges Unwetter überrascht. Innerhalb von wenigen Minuten verwandelte sich die Umgebung in eine Sumpflandschaft und die Straße stand zentimeterhoch unter Wasser. Wir waren gezwungen in Windeseile unser Wohnmobil auf festen Betongrund zu bringen, weil wir befürchteten, im Matsch zu versinken. Hagel, Gewitter und literweise Wasser ergossen sich über uns und dann war – genauso schnell, wie es angefangen hat – auch schon wieder alles vorbei und man hörte wieder Vögelchen piepsen. Unser Nachbar auf dem Parkplatz, auf dem wir Halt gefunden hatten, hat gleich die Gelegenheit genutzt, seine Badehose angezogen und im Regen das Wohnmobil geputzt. Clever.
Der erste Nationalpark Siziliens
Am nächsten Morgen sind wir aufgebrochen und haben uns erstmal San Vito Lo Capo, beziehungsweise dessen großen, breiten Sandstrand angeschaut, der dem Ort seine Existenzberechtigung zu geben scheint. Von hier ging es weiter zum Nationalpark Zingaro. Zingaro ist das allererste Naturschutzgebiet auf Sizilien und in den 80er Jahren durch eine Bürgerbewegung entstanden. Er gilt als der schönste Park der Insel und hat uns auch wirklich sehr gut gefallen. Einziger Wermutstropfen war, dass keine Hunde mit reindürfen und der Park 5€ Eintritt kostet.
Im Nachhinein wäre unsere fünfstündige Bergwanderung in der Mittags- und Nachmittagssonne aber auch zu anstrengend für unseren Senior gewesen, der währenddessen im kühlen Wohnmobil im Schatten geschlafen hat. In der Nähe von Zingaro haben wir einen Parkplatz an einem kleinen Kiesstrand mit Bar gefunden und hier die Nacht verbracht.
Die lauteste Stadt der Welt
Gut erholt von unserem Gewaltmarsch sind wir am nächsten Morgen dann nach Palermo reingefahren. Auf einem bewachten Parkplatz mit Wasserver- und entsorgung (20€ für 24h) innerhalb der Stadt konnten wir uns zwischen weiteren Wohnmobilen einreihen und wussten unser fahrendes Zuhause gut aufgehoben, während wir die Stadt unsicher machten. Von hier konnten wir zu Fuß in die Innenstadt laufen und haben erstmal das klassische Touri-Programm durchgezogen: Porta Nuova, Normannenpalast, Kathedrale, Quattro Canti, Fontana Pretoria, Teatro Massimo, usw. Elf Kilometer sind wir an diesem Tag gelaufen. Zwischendurch haben wir uns auf dem Platz vor der Kirche San Domenico ausgeruht und eine sehr leckere Pizza gegessen. Die Stadt ist spannend, aber vor allem ist sie auch verdammt laut, mit ihren knatternden Rollern und hupenden Autos und uns schepperte ganz gut die Rübe, als wir abends wieder in unserem Bus ankamen.
Kurz haben wir überlegt, es bei diesem einen Tag bewenden zu lassen und am nächsten Morgen wieder aus der Stadt abzuhauen. Dann haben wir uns aber doch entschieden, noch zu bleiben und das war im Nachhinein eine sehr gute Idee. Denn am nächsten Tag konnten wir, da wir die Pflicht ja bereits erfüllt hatten, gleich zur Kür übergehen und uns nur noch Sachen angucken, auf die wir wirklich Lust hatten.
Die schönste Leiche der Welt
Den Start machte eine Exkursion der etwas makabren Art. Wir haben uns unter die Erde begeben, in die Katakomben der Kapuzinergruft. Hier unten befinden sich mehr als 2000 mumifizierte Leichen, aufgebahrt in Nischen und offenen Särgen, aber hauptsächlich einfach aufgehängt entlang der Wände. Ein schauriges Gruselkabinett schreitet man hier unten im dämmrigen Licht ab. Die berühmteste Gruftbewohnerin ist die zweijährige Rosalia Lombardo, die 1920 an der Spanischen Grippe starb. Ihr Vater konnte den Gedanken nicht ertragen, dass er sein Kind nie mehr sehen sollte und bat einen befreundeten Einbalsamierer, den Körper zu konservieren. Erst 2009 konnten Wissenschaftler das Geheimnis der Einbalsamierung enträtseln. Tatsächlich sieht das kleine Mädchen noch immer so aus, als würde es nur schlafen.
Tausend nackte Menschen
Nach dieser schaurigen Geisterbahn brauchten wir erstmal noch einen Kaffee und was Süßes fürs Gemüt. Frisch gestärkt sind wir dann durch die schöne, mit Wasserläufen durchzogene Parkanlage des Castello della Zisa spaziert und haben es genossen, wieder im hellen, wärmenden Sonnenlicht rumzulaufen. Nicht weit von Zisa entfernt ist das Kulturzentrum der Stadt, mit Filmhochschule, Goethe-Institut und weiteren Kunsteinrichtungen. Nach den lärmenden, engen und trubeligen Gassen der Stadt war der Bezirk eine reine Wohltat und wir sind eine Weile in dieser eigenen kleinen Kunstwelt geblieben. Hier haben wir dann zufällig eine Ausstellung von Spencer Tunick entdeckt, die gerade gezeigt wurde. Nicht nur, dass man die Ausstellungshalle kostenlos besuchen konnte, der Hund durfte auch einfach mit rein und die Ausstellung fanden wir ganz großartig. Tunick ist bekannt für seine temporären Installationen aus nackten Menschen, die er in urbanen Zusammenhängen positioniert und fotografiert. Diese ikonografischen Symbole – oft mit tausenden von Freiwilligen – inszeniert er in der ganzen Welt, auch an sehr prominenten Plätzen und seine Bilder haben meist einen sozialkritischen Hintergrund. Der Hund fands auch gut.
Kulinarische Highlights
Auf unserem Wunschplan stand jetzt eigentlich der Botanische Garten von Palermo, der beeindruckend schön sein soll und den schon Goethe als „wunderbarsten Ort von der Welt“ beschrieben hat. Doch leider kippte zum Nachmittag das Wetter und der einsetzende Dauerregen mit Gewitter machte uns einen Strich durch die Rechnung. Stattdessen sind wir erstmal in eine Buchhandlung geflüchtet und haben eine Weile geschmökert, bevor wir uns einfach durch die Innenstadt haben treiben lassen, was jetzt sehr angenehm war, da wir die Straßen fast für uns hatten.
In der berühmtesten Eisdiele der Stadt, ‘Brioscia‘, haben wir uns dann das hier typische Eis im Brioche gegönnt. Das ist mal eine Erfindung die wirklich Sin macht! Danach braucht man eigentlich zwei Tage nichts mehr essen, aber Uli wollte unbedingt auch noch ein weiteres Streetfood-Gericht probieren, das hier der absolute Renner ist: frittierte Milz im Brötchen. Dazu etwas Krokettenähnliches und eigentlich gibt es auch noch einen Teller mit gekochten Innereien, aber da war selbst Uli raus.
Zusammenfassend würden wir Palermo als sehr laute Stadt beschreiben, mit spannenden Ecken und Geschichten, wuselig, eng und chaotisch, unheimlich laut, mit freundlichen Menschen und wenigen Plätzen, die ruhig und schattig sind und wo man mal durchatmen kann, sehr laut, viele arme Bezirke, dreckig und …. sagte ich schon, dass die Stadt EXTREM LAUT ist? Wir sind froh, zwei Tage geblieben und über zwanzig Kilometer durch die Stadt gestreunt zu sein, so haben wir das Gefühl, einen ganz guten Eindruck von der Atmosphäre dieser – doch relativ lauten – Metropole gewonnen zu haben. Unsicher haben wir uns übrigens nie gefühlt; auch nicht wenn wir mal verschütt gegangen sind und uns in Gegenden verirrt haben, in die gewöhnlich nicht viele Touristen kommen.
Clash der Kulturen: Die Kathedrale von Monreale
Am nächsten Morgen waren wir aber doch froh, als wir die vollen, chaotischen Straßen Palermos hinter uns gelassen hatten und in Richtung des nur wenige Kilometer entfernten Monreale aufgebrochen sind. Die Kathedrale dieser Stadt ist eins der Highlights auf einer Sizilienrundreise – entsprechend groß ist auch der Touristenzirkus drumherum. Nichts desto trotz ist diese Kirche etwas wirklich sehr Besonderes, denn in dem normannischen Bau fließen unterschiedliche Kulturstile symbiotisch ineinander. Arabische Intarsien und byzantinische Mosaike auf goldenem Grund verzieren einheitlich und äußerst prachtvoll diesen romanischen Baukörper. Es lohnt sich, hier einige Zeit zu verbringen, den Audioguide anzuhören und hoch auf die Dachterrasse zu steigen.
Monte Erice: Uriges Dörfchen, nur zu viele Touris
Nach Monreale hatten wir dann endgültig fürs Erste die Schnauze voll von vielen Menschen und sind zurück an die Westküste gefahren und hier rauf auf den Monte Erice. Oben, auf dem 750 Meter hohen Berg, befindet sich ein kleines Dorf, das schon in vorgeschichtlicher Zeit existiert hat und sogar in griechischen Sagen Erwähnung findet. In der Antike hieß die Stadt Eryx, nach einer Gestalt der griechischen Mythologie: Eryx war der Sohn der Liebesgöttin Aphrodite und des Argonauten Butes.
Hier oben haben wir ein ruhiges Plätzchen für unser Wohnmobil gefunden, mit einer wunderbaren Aussicht auf das Meer und unseren Haus- und Hofberg, den Monte Cofano. Nichts war zu hören, außer ein paar Vögelchen. Herrlich.
Das änderte sich am nächsten Morgen, als wir früh in das Dörfchen reinflanierten, das für seine winzige Größe eine erstaunliche Anzahl an Kirchen und Burgen aufzuweisen hat. Erst war es noch ganz romantisch, durch diese uralten Gässchen zu schlendern, doch schon bald kamen hier die Reisebusse an und spuckten hunderte von Touristen in den kleinen Ort aus.
Um uns von dieser ereignisreichen Woche zu erholen, sind wir kurzentschlossen wieder zurück an unseren Lieblingsplatz am Monte Cofano gefahren und genießen jetzt das herrliche Sommerwetter. Abends sitzen wir am Lagerfeuer, grillen und quatschen bis in die Nacht und schmieden Pläne für neue Abenteuer. Uns geht’s sehr gut. Wir hoffen, Dir auch.
Über die Autorin
Ramona Pingel
Ramona ist Co-Verlegerin des WNJ-Verlags und arbeitet außerdem als Freie Lektorin. Vor ihrer gemeinsamen Reise mit Uli lebte sie im beliebtesten Viertel Kölns, hatte einen guten Job in einem großen Verlagshaus und genoss das Leben in der Großstadt. Doch nach der Reise kam das alles nicht mehr infrage. Sie wollte unabhängig sein und näher an der Natur. Heute leben Uli und sie, zusammen mit Hund Spencer, in einem Häuschen in der Vulkaneifel, direkt am Waldrand. Ihre freie Zeit verbringt sie am liebsten mit Gärtnern, Yoga und Wandern.
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