In jedem Telefonat das wir mit unseren Müttern führen, kommt unweigerlich irgendwann die Frage nach dem Geld. „Habt ihr denn auch Aufträge?“, „Reicht das Geld noch?“ – „Ja Mama, das Geld reicht noch“, beruhigen wir dann. Warum reicht das Geld auch nach über vier Monaten Reisen noch? Eben deshalb: Wir reisen, wir machen keinen Urlaub.
Zwei Wochen Urlaub verbringt man anders
Klassischerweise fahren die Leute etwa zwei mal zwei Wochen im Jahr in den Urlaub. Auf diese Zeit fiebert man lange hin, plant alles ganz genau und informiert sich ausgiebig über das Urlaubsland. Schließlich will man ja keine Zeit verlieren, durch nervige Unterkunftsuche oder unnötig lange Zwischenaufenthalte an Flughäfen. Und verpassen möchte man erst recht nichts, also sollte idealerweise schon vorher klar sein, welche Sehenswürdigkeiten ein sogenanntes „Muss“ sind und welche Aktivitäten am Urlaubsziel zur Auswahl stehen.
Vor Ort, will man es sich natürlich so richtig gut gehen lassen. Da die Zeit sehr begrenzt ist, muss man sich mit dem Gutgehenlassen aber nun mal beeilen und da kommt es auf ein paar Euro mehr oder weniger nicht an. Wasserski, Tauchkurs, ein Kurztrip zur nächsten Insel, Schirmchendrinks am Strand und jeden Abend auf der Promenade Essen gehen. Dabei so viele Souvenirs wie möglich kaufen, denn die schöne Zeit, der malerisch sonnige Wohlfühlort und das Gefühl, frei und unbeschwert durch den Tag schlendern zu können, wollen wir uns ja möglichst lange bewahren und auch in den Alltag rüber retten.
Nach zwei Wochen ist der Zauber dann vorbei und man sieht der Realität ins Auge, dass man doch nicht alles stehen und liegen lassen wird, um einfach da zu bleiben. Also geht es braungebrannt und mit einem Koffer voll Andenken zurück nach Hause. Am Ende hat man also meist relativ viel Geld in wenig Zeit ausgegeben, weil man ja versucht, das Maximum an Erleben aus den paar Wochen rauszuholen.
Reisen ist ein Marathon, kein Sprint
Beim Reisen läuft das anders. Während Urlaubmachen quasi ein Sprint ist, ist Reisen ein Marathon. Der Zeitraum ist größer und entsprechend muss man mehr haushalten – sowohl mit dem was rausgeht, als auch mit dem was reinkommt.
Natürlich steht an erster Stelle des Haushaltens das Geld, denn wenn das futsch ist, ist die Reise zu Ende und man braucht sich über nichts weiter Gedanken machen. Ebenso ist es aber auch sehr wichtig, mit seinen Kräften hauszuhalten, denn die sind auch nicht unendlich vorhanden, auch wenn alles so aufregend, neu und elektrisierend ist.
Irgendwann schaltet der Kopf ab und macht die Luken dicht
Nicht zu unterschätzen ist aber auch die Flut von neuen Eindrücken und Erlebnissen, die auf einen einprasseln und was das mit einem macht. Das will ja auch alles verarbeitet und begriffen werden, aber irgendwann kommt der Kopf nicht mehr mit und es kommt der Punkt, wo einfach nichts mehr reingeht und jede Stadt, jede Sehenswürdigkeit nicht mehr wirklich aufgenommen und gewürdigt werden kann, sondern schließlich nur noch zur Qual und Pflichtveranstaltung wird. Das ist in etwa so, wie ein Besuch im Louvre. Endlich ist man tatsächlich da und saugt wie ein Schwamm ganz begeistert alles, alles in sich auf. Kommt man dann aber nach vier Stunden bei den ägyptischen Sarkophagen vorbei, ist man so übervoll, dass einem dieser faszinierende Kulturschatz herzlich egal ist. Trotzdem hört man ja an der Stelle nicht auf, denn wann hat man schon wieder die Gelegenheit das zu sehen? Einen Mehrwert bringt das allerdings nicht mehr, es geht nur noch um das „Dagewesensein“.
Reisen will also, wie so vieles andere auch, gelernt sein. Einen eigenen Rhythmus finden, die eigenen Grenzen erkennen und berücksichtigen, das sind Dinge, die wir in den letzten Monaten auf jeden Fall erstmal lernen mussten.
Über die Autorin
Ramona Pingel
Ramona ist Co-Verlegerin des WNJ-Verlags und arbeitet außerdem als Freie Lektorin. Vor ihrer gemeinsamen Reise mit Uli lebte sie im beliebtesten Viertel Kölns, hatte einen guten Job in einem großen Verlagshaus und genoss das Leben in der Großstadt. Doch nach der Reise kam das alles nicht mehr infrage. Sie wollte unabhängig sein und näher an der Natur. Heute leben Uli und sie, zusammen mit Hund Spencer, in einem Häuschen in der Vulkaneifel, direkt am Waldrand. Ihre freie Zeit verbringt sie am liebsten mit Gärtnern, Yoga und Wandern.